Steckbrief Eisen
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Praxisrelevanter Steckbrief Eisen
[Ferrum – Fe]
Chemie und Eigenschaften
Eisen hat ferromagnetische Eigenschaften und kommt in den Oxidationsstufen –2 bis +6 vor. Allerdings haben nur Fe2+ (Ferroeisen als Reduktionsmittel) und Fe3+ (Ferrieisen als Oxidationsmittel) eine Bedeutung für den Organismus. Um die Oxidation von Fe2+ in das schwer lösliche Fe3+-Hydroxid in wässrigen Lösungen zu verhindern, hat der Körper eisenbindende Proteine entwickelt. So bleibt das Eisen trotz seiner schlechten Löslichkeit für den Organismus bioverfügbar. Eisen erfüllt wesentliche Funktionen: O2-Transport (Hämoglobin), Bildung und Speicherung von O2 (Myoglobin), Elektronentransport der Atmungskette (Cytochrome) sowie Katalyse von Redoxreaktionen (Enzyme).
Einteilung
– Nicht-Hämeisen (ionisiertes Eisen)
– Fe2+ = Ferroeisen
– Fe3+ = Ferrieisen oder Ferrihydroxidkomplexe
– Hämeisen = Eisen-Protoporphyrin
Resorption
Die in der Nahrung vorwiegend vorkommenden Eisenformen sind Ferrihydroxidkomplexe, gebunden an Protein, organische Säuren oder Eisen-Protoporphyrin. Im Magen wird 30–50% des Nahrungseisens durch Säure und Pepsin gelöst und anschließend im Duodenum und Jejunum resorbiert. Die Resorptionsrate aus der Nahrung liegt unter normalen Umständen bei 7–20%, wobei 2-wertiges Eisen aus Fleisch besser aufgenommen wird als 3-wertiges Eisen aus pflanzlicher Kost. Gastroferrin (Sekret der Magenschleimhaut), Vitamin C und andere organische Säuren (Zitronensäure) fördern die Resorption von Eisen.
Bei Eisenmangel steigt die Resorptionsrate auf das Fünffache an.
Verteilung
Ca. 70% des Körperbestands an Eisen befindet sich im Hämoglobin, 9% im Myoglobin der Muskulatur und 15% als Speicherform in der Leber und im Monozyten-Makrophagen-System. Die Speicherformen (Ferritin und Hämosiderin) werden nicht unmittelbar vom Körper benötigt.
Biochemische Funktionen
Hämeisen-Verbindungen
Die bekanntesten Hämeisen-Verbindungen sind Hämoglobin, Myoglobin und Cytochrome. Da Eisen für den molekularen Sauerstofftransport im menschlichen Organismus essentiell ist, liegen 75% des Eisens als Hämeisen-Verbindungen vor.
Nicht-Hämeisen-Verbindungen
Diese Verbindungen dienen nicht dem Sauerstofftransport, sondern übernehmen folgende Funktionen:
- Antioxidative Wirkung: die Inaktivierung von Wasserstoffsuperoxid (durch Wasserstoffübertragung) wird von eisenhaltigen Metalloenzym-Komplexen wie Katalasen, Oxygenasen und Peroxidasen katalysiert.
- Sauerstoffübertragung: durch eisenhaltige Oxygentransferasen im Intermediärstoffwechsel
- Entgiftungsprozesse: durch eisenhaltige Hydroxyltransferasen
- Energiegewinnung: Nicht-Hämeisen-Proteine wirken an der Energieproduktion in mitochondrialen Enzymen mit.
- Produktion von Hormonen und Neurotransmittern: an der Produktion von Thyroxin und Neurotransmittern im Gehirn sind eisenhaltige Proteine beteiligt.
- Kollagensynthese: Eisen ist für die Regeneration von Knochen, Knorpel und Bindegewebe unabdingbar.
- Schutz vor Atherosklerose: Transferrin schützt den Organismus vor den schädigenden Wirkungen freier Eisenionen.
Über die Haber-Weiss- und Fenton-Reaktion können aggressive Hydroxylradikale entstehen, die eine Lipidperoxidation beschleunigen. Ein niedriges Transferrin korreliert mit einem erhöhten Atherosklerose Risiko.
Versorgungssituation
Nährstoffmängel betreffen am häufigsten Vitamin A, Jod und Eisen. Weltweit sind ca. 30% der Bevölkerung, in den Ländern der Dritten Welt v.a. Schwangere und Kleinkinder mit Eisen unterversorgt. In Industriestaaten tritt Eisenmangel v.a. in latenter Form auf. Frauen sind aufgrund der regelmäßigen Blutungen öfter betroffen als Männer.
Studien:
USA. Keiner der 21.500 Teilnehmer einer vom amerikanischen Landwirtschaftsministerium durchgeführten Studie erreichte die von der RDA empfohlenen Minimalwerte für Eisen. In einer weiteren groß angelegten Studie mit 28.000 Menschen (7–65 J.) wurden auf der Basis verschiedener Parameter (tatsächlich verzehrte Nahrung, der Nährstoffspiegel im Blut und jegliche Symptome einer Mangelernährung) erhebliche Nährstoffdefizite festgestellt: neun von zehn Frauen hatten zu wenig Eisen in ihrer Nahrung (unter 18 mg), und das obwohl in Amerika Zerealien mit Eisen angereichert werden. Eine weitere amerikanische Studie mit 15.000 Haushalten zeigte ähnliche Ergebnisse: in jedem fünften Haushalt enthielt das Essen zu wenig Eisen [30]. Die Nährstoffaufnahme aus einer Stichprobe mit 37.785 Amerikanern ergab bei 57% der Teilnehmer eine geringere Eisen-Zufuhr als die RDA-Empfehlung.
Europa. Drei große Studien in Frankreich ergaben, dass 5% der Männer und 55–90% der Frauen nicht die Minimalwerte für Eisen durch die Nahrung decken. Vergleichende Blutuntersuchungen bei Wiener Schulkindern ergaben Eisenmängel, bei Wiener Erwachsenen konnte ebenfalls eine unzureichende Eisenzufuhr gemessen an der DGE-Empfehlung nachgewiesen werden.
Vor einer längerfristigen Eisensubstitution ohne medizinische Anleitung muss aufgrund der möglichen Nebenwirkungen gewarnt werden!
Mangelsymptome
Eisenmangel ist weltweit der häufigste Mangelzustand und äußert sich in folgenden Symptomen:
- Unspezifische Allgemeinsymptome: Appetitlosigkeit, chronisches Müdigkeitssyndrom
- Infektanfälligkeit: häufig rezidivierende Infekte der oberen Atemwege mit Entzündung der Mundschleimhaut, Mundwinkelrhagaden, Nasenschleimhautatrophie
- Haut und Hautanhangsgebilde: trockene Haut z.T. mit Juckreiz, vermehrte Kopfschuppen, brüchiges Haar, brüchige Nägel mit Einbuchtungen
- Herabgesetzte Konzentrations- und Merkfähigkeit: wird bei alten Menschen häufig mit einer senilen Demenz gleichgesetzt und der Eisenmangel übersehen
- Muskelkrämpfe: bei körperlicher Belastung wegen erhöhter Milchsäurebildung
- Kinder: Störung der physischen und psychischen Entwicklung
- Schwangerschaft: erhöhtes Fehlgeburtsrisiko bzw. gehäuft Frühgeburten mit sehr niedrigem Geburtsgewicht
- Toxinbelastung: vermehrte Aufnahme von Umweltgiften
- Körpertemperaturregulation: kann gestört sein.
Symptome bei Überdosierung
Bei Kindern ist eine Eisenintoxikation aufgrund der hohen Letalität (über 50%) gefährlich.
Als toxische Symptome können auftreten:
- Magen-Darm-Trakt: hämorrhagische Gastritis, blutige Diarrhö mit Teerstuhl
- Kreislauf: Hypotonie bis akuter Schock
- Blut: Gerinnungsstörungen
Eine chronische Eisenüberladung tritt bei der genetisch bedingten Hämochromatose (heterozygote Form) auf, deren zunächst subtile Beschwerden häufig übersehen werden.
Anwendungsgebiete
Erhöhter Bedarf
- Hohe Verluste: v.a. bei starken und/oder lang anhaltenden Blutungen, Menstruation, Hämorrhoiden, gastrointestinalen Blutungen, Magen- oder Darmgeschwüren
- Schnelles Wachstum: Schwangerschaft, Kindheit und Jugend
- Ernährung: Vegetarier, hoher Kaffee- und Teegenuss zu den Mahlzeiten, hoher Alkoholkonsum sowie Säuglinge und Kleinkinder, die v.a. mit Milch ernährt werden
- Ungenügende Resorption: chronische atrophische Gastritis, z.n. Gastrektomie, Malabsorption (z.B. Sprue), Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa
- Hämatologische Erkrankungen: perniziöse Anämie, intravasale Hämolyse mit Hämoglobinurie
- Medikamenteneinnahme: Aspirin, nicht-steroide antiinflammatorische Mittel (NSAID), Steroide
- Nährstoffmängel: Mangel an Vitamin A, Vitamin B6, Vitamin C und Kupfer.
Indikationen
- Eisenmangelanämien: verursacht durch erhöhten Bedarf in der Schwangerschaft, erhöhte Verluste, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Leistungssport sowie bei häufigen Blutspendern
Die gleichzeitige Supplementierung von Vitamin C, B6, B12 und Folsäure scheint v.a. in der Schwangerschaft einen positiveren Effekt auf den Hämoglobinspiegel zu haben als eine ausschließliche Eisensubstitution.
- Chronische Müdigkeit: vor einer Eisensubstitution muss unbedingt der Eisenspiegel im Blut gemessen und weitere Ursachen eines Eisenmangels ausgeschlossen werden (CFS-Syndrom).
- Menorrhagie: Frauen mit besonders starken monatlichen Blutungen können einen symptomlosen Eisenmangel haben. Der Eisenmangel selbst kann die Regelblutung verstärken.
Medikamente
Medikamenteninteraktionen mit Eisen können klinisch schnell auffällig werden. Zu achten ist v.a. auf Wechselwirkungen mit Medikamenten.
Nährstoffe
Bezüglich der Nährstoffe ist besonders auf mögliche Interaktionen zwischen Eisen und Aspartat, Citrat oder Fumarat zu achten. Sie gehen mit Eisen Komplexe ein, die ausreichend stabil sind, um Eisen-Ionen vor Hydroxidbildung zu schützen, aber gleichzeitig Eisen an der Darm Mukosa zur Resorption freigeben.
Täglicher Bedarf
Der Bedarf an Eisen orientiert sich an den regelmäßigen Verlusten. In der Pubertät steigt der Eisenbedarf an. Bei Mädchen liegt dies an der einsetzenden Monatsblutung, bei Jungen am vermehrten Muskelaufbau. In der Schwangerschaft ist der Bedarf an Eisen am höchsten und lässt sich i.d.R. nicht über die Nahrung sicherstellen. Nach der Menopause sinkt der Eisenbedarf bei Frauen auf das Niveau des erwachsenen Mannes.
DGE-Empfehlungen
Kinder: 8–10 mg/Tag
Männliche Jugendliche: 12 mg/Tag
Weibliche Jugendliche: 15 mg/Tag
Frauen vor der Menopause: 15 mg/Tag
Männer sowie Frauen nach der Menopause: 10 mg/Tag
Schwangere: 30 mg/Tag
Stillende: 20 mg/Tag
Einnahmeempfehlung: unabhängig von den Mahlzeiten, vorzugsweise auf mehrere Einzeldosen über den Tag verteilt. Die kombinierte Einnahme mit Vitamin C verbessert die Resorption.
Zweiwertiges Eisen ist dem dreiwertigen vorzuziehen, Chelat, Fumarat oder Gluconat sind besser bioverfügbar.
Vorkommen in Nahrungsmitteln
Brot, Fleisch, Wurst und Gemüse sind die wichtigsten Eisenlieferanten. Aus Lebensmitteln pflanzlicher Herkunft werden selten mehr als 5% des Eisens resorbiert. Gute Eisenquellen sind Innereien wie Leber, Bierhefe, Sojabohnen, Weizenkeime, Hülsenfrüchte, Hirse, Haferflocken und Petersilie. Obst enthält nur sehr wenig Eisen.
Hitliste eisenreicher Nahrungsmittel – Nahrungsmittel Eisengehalt in mg / 100 g
Austern 13
Sojamehl 9
Hirse 9
Leber 7–8
Linsen 7
Weiße Bohnen 6
Haferflocken 5
Weizenmehl 3–4
Fleisch 2
